Eigentlich hätte die Überschrift lauten müssen: Nicht jede seelische Blähung muss in Facebook veröffentlicht werden oder: Warum plötzlich jedes (mittelständige) Unternehmen ein Innovation Lab braucht und warum die Firma 3M alleine in Deutschland 2,37 Mrd. Euro Umsatz einfahren konnte. Das wäre als SEO Titel natürlich viel zu lange gewesen, für einen Einsatz als Keynote Speaker hingegen…
Egal, zurück zum Thema: Für alle, die noch nie etwas von der Firma aus St. Paul (Minnesota/USA) gehört haben, hier ein paar harte Fakten. Umsatz im Jahr 2018 = 32,8 Mrd. US Dollar, über 90.000 Mitarbeiter weltweit und Niederlassungen in 70 Ländern. Ein Produkt aus dem Hause 3M kennt jeder:
Post-it
Wir erinnern uns: Als der PC in deutsche Büros eingeführt wurde, hatte jede Sekretärin ihre To Dos auf die bunten Haftnotizen geschrieben und auf den PC-Monitor geklebt. Digitalisierung Stufe 1. Die Arbeitsplätze in Konzernen waren fast alle hübsch bunt.
Trotz massiven Einsatzes von PCs waren die bunten Quadrate nicht aus den deutschen Büros zu verdrängen. Auch heute noch ist der Einsatz der Post-its aus dem Büroalltag nicht fortzudenken (allein 25 Seiten Variationen auf der Webseite des Herstellers). Für alle, die die Wälder schützen wollen, gibt es die bunten Dinger jetzt natürlich auch als App. Aber mal ehrlich: Wer kennt jemand, der die App auf dem Handy hat?
Innovation Lab
Für alle, die sich jetzt fragen, was 3M mit der Frage zu tun hat, warum plötzlich jedes Unternehmen ein Innovation Lab benötigt, hier die einfach Antwort. Bestandteil wirklich JEDES Innovation Lab sind nun mal die hübschen bunten Haftnotizen aus Minnesota. Wer es nicht glaubt, der gebe „Innovation Lab“ bei Google ein und gehe auf „Bilder“. Ergebnis: Es klebt, wohin das Auge auch schaut. Da erfährt man zum Beispiel, dass Zalando im Herzen immer ein Startup bleiben will und wenn man auf den Artikel klickt, was sieht man? Richtig: Eine Wand mit vielen bunten Post-its…
Innovation Lab ist nicht gleich Innovation
Zugegeben, wir sind jetzt ganz ordentlich von unserer Eingangsfrage abgeschweift, aber es ist Sonntag und da nimmt man sich schon mal Zeit zum Schmökern, Lesen, über den Tellerrand denken…
Zurück also zum Innovation Lab. Ein Blick auf Google zeigt, dass „Innovation Lab“ ein gefragter Suchbegriff ist, 293 Mio. Ergebnisse. Ein Blick zum Wirtschaftsmagazin Capital zeigt, dass die großen Konzerne natürlich Innovation Labs haben. Unterteilt wird hier in drei Kategorien: „Innovationen finden“, „Innovationen entwickeln“ und „Innovationen skalieren“ (auch ein Klick zum Magazin zeigt: Post-its!).
Verlässt man aber die Konzernwelt und begibt sich in die Das-haben-wir-noch-nie-so-gemacht-Firmen, muss man feststellen, dass das Innovation Lab oftmals nur eine schöne Fassade ist. Zugegeben mit modernen Namen wie Denkfabrik, Ideenwerkstatt, Think Tank oder Ideenschmiede (und selbstverständlich mit auch vielen Post-its), aber leider angedockt an die alte Struktur. Alibi-Funktion: Die Werkstatt-Truppe hat es schwer, gegen alte Muster anzukämpfen. Es gilt unser alter Leitsatz:
Neue Geschäftsmodelle entstehen nicht in alten Unternehmenskulturen!
Mit dem Innovation Lab ist es wie mit allen Trends. Man muss ihnen folgen. Zumindest denken das die Ängstlichen. Wir erinnern uns noch an den IBM Werbespot „Die Schlagzeile“. Wir müssen ins Internet. Wieso? Steht nicht da! Social Media: Wir müssen eine Facebook Seite erstellen. Wieso? Steht nicht da!
Die Facebook Phase war besonders peinlich. Jede geistige Blähung wurde sofort gepostet. Wir erinnern uns an viel zu viele Essenfotos und hoffen sehr, dass es dem Koch wieder besser geht. Andererseits entstanden auch lustige Seiten / Gruppen wie „Dank Ed Hardy erkenne ich Vollidioten sofort“, „Meine Nachbarn hören gute Musik, ob sie wollen oder nicht“ oder „Mit Frauen spielt man nicht – ausser sie sind ans Bett gefesselt!“ (von letzterer distanzieren sich jedoch in Zeiten der Gender-Debatte immer mehr Mitglieder*innen). Die Inflation der Facebook Gruppen führte dann zu bekannter Seite: „Nicht jede seelische Blähung muss in Facebook veröffentlicht werden“ und damit schließt sich der Kreis zur Überschrift des Beitrages, der geneigte Leser kann somit wieder aufatmen und sich das nächste Innovation Lab suchen, um Finger Food und einen Crémant zu sich nehmen zu können. Denn auch wenn nicht jedes Innovation Lab etwas bringt, man kann sich dort treffen, lustige bunte Post-its betrachten und beim Smalltalk lecker essen. Das ist nachhaltiger und klimaneutraler, denn man muss nicht, so wie früher, die halbe Firma ins Silicon Valley schicken. Und voll im Trend ist man dann auch…