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Die Bahn hat fünf Feinde: Frühling, Sommer, Herbst, Winter und die antiquierte Haltung der Gesellschaft

By August 11, 2019 No Comments
die bahn

Die Bahn hat fünf Feinde: Frühling, Sommer, Herbst, Winter und die antiquierte Haltung der Gesellschaft, diese These hatten wir in abgewandelter Form bereits im Jahr 2012 hier im Blog, haben sie allerdings im Zuge des Website Relaunches wieder rausgeworfen, weil nicht mehr zeitgemäß. Die Bahn ist halt wie sie ist…

Mittlerweile jedoch muss man das Fünf-Feinde-Bahn-Thema unbedingt wieder aufgreifen. Die Politik drängt auf klimafreundliche Emobilität und verliert die Verkehrsrealität aus den Augen. Auf der einen Seite überlegt man sich, in Gondeln oder wasserstoffgetriebenen Flugtaxis durch die Innenstädte zu bewegen und auf der anderen Seite bewegt man sich dann doch uncharmant mit dem Auto durch Stadt und Land, weil die Bahn nicht funktioniert. Wir greifen exemplarisch den letzten Freitag als Musterbeispiel für eine nicht-funktionierende Bahn heraus. 

Die Bahn: Drama in mehreren Akten

Ankunft am Münchner Hauptbahnhof: Die Anzeigetafel hatte mehr Zugausfälle als planmäßige Abfahrten. O-Ton eines Bahnmitarbeiters: „Ab 30 Grad geht nix mehr bei uns“…

Schon bei der Zugbuchung (drei Wochen vor Fahrtbeginn) wurde darauf hingewiesen, dass 90 Prozent aller Züge stark bis überbucht sein werden. Deshalb: Die Rückfahrt wird im Zweistundentakt nach hinten verlegt. Statt der geplanten 12.00 Uhr Abfahrt: 18:46 Uhr, die erste Möglichkeit, Platzkarten zu buchen. Angesichts der geplanten Überfüllungen erscheint die Platzkarte spießig, aber angesagt (natürlich hätte man auch auf die 1. Klasse ausweichen können, aber die Idee hatten auch noch andere).

Erster Akt: Bereitstellung ohne bereit zu sein

Der Zug wird rechtzeitig bereitgestellt, aber die Türen bleiben geschlossen, um das Ganze für Fahrgäste mit Platzkarten schwieriger zu gestalten: Die Wagennummern werden außen nicht angezeigt. Wir laufen bis fast ans Zugende und stellen, nachdem die Türen geöffnet wurden, fest, dass die Wagons doppelt nummeriert wurden. Wir finden heraus, dass 33 und 23 in Wirklichkeit 23 bedeutet. Wir finden unsere reservierten Plätze, die aufgrund einer Störung nicht gekennzeichnet waren und posten bei Twitter:

Zweiter Akt: Kommunikation

Kurz drauf folgt eine Ansage der Schaffners. Eigentlich keine Ansage, sondern ein Pusten. Er pustet ins Mikrofon und niemand versteht ihn. Er wollte sagen, dass die Reservierungen nicht angezeigt werden können, aber dennoch Gültigkeit haben. Zeitgleich bekommen wir einen besorgte Tweet der Bahn, ob wir denn unsere Plätze gefunden hätten. Wir sollten einfach die Kollegen im Zug ansprechen, die helfen gerne. 

Leider ist der ICE so überfüllt, dass weder die Schaffner noch die Fahrgäste durchkommen. Der Schaffner spricht erstmals von CHAOS. Neben der Reservierungsanzeige ist auch die Klimaanlage in Wagen 21 und Wagen 27 ausgefallen, die Wagons müssen geräumt werden. Folge: Der ICE 1110 steht in Pasing und weigert sich, weiter zu fahren. Die Pendler werden gebeten auf einen anderen Zug auszuweichen. Was sie natürlich erst einmal nicht tun…

Die Nachricht des Social Media Teams, dass man uns nicht weiterhelfen könne, verwundert nicht. War auch allen anderen im Zug klar…

Die Bahn: Harter Kampf auf verlorenem Posten

Kurz vor Stuttgart dann die freudige Durchsage, dass man PÜNKTLICH ankommen werde, allerdings müsse man dann bis Esslingen zurückstoßen, was eine Verspätung von 40 Minuten nach sich ziehen würde…

Nochmals zur Eingangsfrage: Warum nur will die Politik die Emobilität nur für Autos und einer Ökostrom betriebenen Bahn verweigert man jegliche Investitionen und baut statt dessen neue Straßen für Autos, die bald nicht mehr darauf fahren werden. 

Um es nochmals ganz deutlich zu sagen. Die Crew im ICE 1110 hat eine Superjob verrichtet. Es ist immer wieder erstaunlich, wie die Mitarbeiter der Bahn trotz mangelhafter Technik die Züge dennoch an den Start bekommen. Mit ein wenig mehr Einsatz von politischer Intelligenz könnte man von fünf Feinden vier eliminieren und Frühling, Sommer, Herbst und Winter wären für die Bahn beherrschbar. Was übrig bliebe: Die antiquierte Haltung der Gesellschaft – der kann sich kein Auto leisten, der muss mit den Öffentlichen fahren…

Multimodalität

Semantische Plattitüden: Mal ehrlich, Zug fahren ist in der Denke der Bevölkerung etwas für Menschen, die sich kein Auto leisten können. Multimodalität als zeitgemäße Fortbewegung ist in den Köpfen noch nicht angekommen. Das ist wie „was Richtiges essen“ als Synonym für Fleisch essen…

Fazit am Sonntag: Bleibt zu hoffen, dass die Züge irgendwann genauso schnell sind wie die Reaktion des Social Media Teams der Bahn. Und vielleicht wird Zugfahren ja auch irgendwann ein witziges Erlebnis: Party-Train, Feinschmecker-Reisen, Business-Räume, Hotel-Feeling…   Ideen für die Bahn hätten wir mehr als genug…