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Artificial Life: Biotop Facebook – Leben im WIRRklichkeitsRAUM

By Januar 31, 2011 Mai 12th, 2019 No Comments
WIRRklichkeitsRAUM

Kurzer Einstig in den WIRRklichkeitsRAUM: Jeder, der sich damit auseinandersetzt, wie wirklich die Wirklichkeit in Wirklichkeit ist, gelangt an irgendeinem Punkt von der Realität in die WIRRklichkeit oder wie es ein Arzt einer Psychiatrie es treffend formulierte: Das Einzige was uns von den Patienten unterscheidet, wir haben einen Schlüssel…

Das Errechnen der Wirklichkeit

Virtuelle Realität (VR) im engsten Sinn mit Datenbrille und entsprechendem technischem Equipment kann definitorisch als eine von Computern errechnete, primär künstliche Umwelt des Menschen bezeichnet werden, bis hierhin muss sich also noch niemand einliefern lassen. Wie real ist aber unsere Umwelt ohne die bis hier diskutierten Technologien? Schließlich ist die vermeintlich real existierende Umwelt auch „nur“ eine vom Organismus errechnete Welt von der wir hoffen, dass unser Rechenzentrum exakte Ergebnisse liefert. C.G. Jung weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass man durchaus sagen könnte, die physische Existenz sei ein bloße Schlussfolgerung, da wir von der Materie nur insoweit etwas wissen, als wir psychische Bilder wahrnehmen, die uns die Sinne übermitteln.

Das Errechnen einer Wirklichkeit wird im Weiteren synonym angenommen für ein Auffassen und Erkennen der Umwelt. Den Grad unserer Abhängigkeit von derartigen „Rechenleistungen“ ermessen wir erst, wenn der Rechner versagt. Ein eindrucksvolles Beispiel hierzu liefert Oliver Sacks durch seine Charakteristik eines Malers, der aufgrund eines Unfalls plötzlich farbenblind wurde.

Einstieg in den WIRRklichkeitsRAUM

Um uns dem WIRRklichkeitsRAUM sozio-virtueller Prägung zu nähern, bedienen wir uns an dieser Stelle der Foersterschen These (Das Konstruieren einer Wirklichkeit, in: Watzlawick, P. (Hrsg.), Die erfundene Wirklichkeit, 8. Aufl., München 1994, S. 44ff), wonach die Umwelt, so wie wir sie wahrnehmen, unsere Erfindung ist.

Nach Foerster sind unsere Sinneszellen nicht in der Lage, die Qualität der Reize, sondern lediglich deren Quantität zu erkennen. Hieraus resultiert die Frage, welche Auswirkungen computergenerierte, virtuelle Realitäten auf das Verhalten des Einzelnen haben könnten? Kann man doch auch ohne künstliche Welten nicht mit Sicherheit sagen, ob die Welt, die wir wahrnehmen, so ist, wie wir glauben, dass sie existiert – wir nähern uns mit dieser Annahme schon wesentlich deutlicher dem WIRRklichkeitsRAUM, fahren wir also fort mit einem Beispiel von McLuhan: Er stellt fest, dass Nichtalphabeten weder dreidimensional noch perspektivisch sehen können. Vielmehr tasten sie mit den Augen Gegenstände oder Bilder so ab, wie Alphabeten eine Druckseite abtasten. Zu einer Fokussierung, die es ermöglicht, Bilder auf einen Blick zu erfassen, sind sie nicht in der Lage. Die Einführung einer neuen Technik führt somit zu einer Verschiebung der Sinne und somit zu einer (Bewusstseins-)Veränderung der Kultur. Jede neue Technik vermindert das Wechselspiel der Sinne und schwächt das Bewusstsein, und zwar genau in dem Bereich der technischen Neuerungen, wo diese Form der Identifikation des Betrachters mit dem Objekt sich einstellt. Die schlafwandlerische Angleichung des Betrachters an die neue Form oder Struktur bewirkt, dass gerade die am Tiefsten in einer Revolution verwickelten sich am wenigsten ihrer Dynamik bewusst sind (vgl. McLuhan, Gutenberg-Ga1axis, 1995)

Das in den Prozess virtueller Welten verstrickte Individuum nimmt diese somit als real gegeben wahr, ohne sie zu hinterfragen . . Zu den bereits skizzierten möglichen Sinnestäuschungen gesellen sich weitere Unschärfen, die bereits Descartes beschreibt:

„Als ob ich nicht ein Mensch wäre, der des Nachts zu schlafen pflegt, und dem dann genau dieselben, ja bisweilen noch weniger wahrscheinliche Dinge im Traum begegnen, als jenen im Wachen! Wie oft doch kommt es vor, dass ich mir all diese gewöhnlichen Umstände während der Nachtruhe einbilde, etwa dass ich hier bin, dass ich, mit meinem Rocke bekleidet, am Kamin sitze, während ich doch im Bette liege! … Denke ich einmal aufmerksamer hierüber nach, so sehe ich ganz klar, dass Wachsein und Träume niemals durch sichere Kennzeichen unterschieden werden können … (Descartes, Meditationen, 1993, S. 16f; siehe hierzu auch: Popper, KR., Wissenschaftliche Reduktion und die essentielle Unvollständigkeit der Wissenschaft, in: Popper, KR., Alles Leben ist Problemlösen, München 1994, S. 76ff; Popper, KR., Bemerkungen eines Realisten über das LeibSeele-Problem, in: Popper, KR., Alles Leben ist Problemlösen, München 1994, S. 93-126; Wittgenstein, L., Über Gewissheit, Werkausgabe Band 8, 6. Aufl. Frankfurt/M. 1994, S. 365)

Die Descartschen Überlegungen wurden zu einer Zeit zu Papier gebracht, als es noch keine Timelines gab und der Mensch keiner Pseudoinformationsflut heutiger Ausprägung gegenüberstand. Um ein Wievielfaches heftiger hätten Descartes Meditationen zu diesem Thema in Zeiten von Medienkonvergenz ausfallen müssen? Für Descartes stellte sich lediglich die Frage, ob er am Kamin sitze oder im Bett liege. Die Frage, ob er es erlebt oder im Fernsehen gesehen oder in einer Timeline gelesen hat, stellte sich ihm nicht und auch omnipräsente Smartphone-Informationen gab es zu dieser Zeit nicht. Was auf den ersten Blick dem Bereich des phantastischen Films zugeordnet werden könnte (exemplarisch könnte in diesem Zusammenhang der Film „Total Recall“ erwähnt werden, der verschiedene Erlebnisebenen verschachtelt und den Zuschauer im Zweifel lässt, ob sich der Hauptdarsteller in der „Realität“ oder im Traum befindet) wäre sicherlich zu Descartes Zeit der Inquisition zum Opfer gefallen. C.G. Jung unterscheidet in eigene bewusste Anstrengung und Schöpfung des Unbewussten. Dabei ist er keineswegs sicher, dass das Unbewusste tatsächlich nur seine Psyche ist, da der Begriff „Unbewusstes“ bedeutet, dass man sich eben nicht bewusst sein kann, aber dies nur am Rande…

„Die Tatsache, dass man die Stimme im eigenen Traum wahrnimmt, beweist gar nichts, denn man kann auch die Straßengeräusche wahrnehmen, und es würde niemandem einfallen, solche als die Eigenen zu bezeichnen. (vgl. Jung, Psychologie)

WIRRklichkeitRAUM: Leben im Grenzbereich

Spätestens hier wird deutlich, dass wir uns mit der Problematik der sozio-virtuellen Welten  in einem Grenzbereich befinden, der mit rationell orientierten Mitteln binärer Denkweisen nicht ohne weiteres erklärt werden kann. Die Welt der ikonendeterminierten Oberflächen mit  Kategorisierungen wie 0/1, wahr/falsch, ein/aus etc. muss somit erhebliche Erweiterung erfahren. Nimmt man den weiter oben skizzierten von Foersterschen Ansatz in Zusammenhang mit dem eben gesagten nochmals auf, ergeben sich nachfolgend dargelegte Überlegungen: Wenn zur Unterscheidung von Wahrheit und Täuschung unsere Sinne nicht ausreichen, da sie nur Quantität, nicht aber Qualität unterscheiden können, um wie viel größer müssen die Irritationen sein, wenn gezielte Manipulationen durch technologische Einrichtungen wie VR, virtuelle Studio- bzw. Filmtechniken oder sozio-virtuelle Oberflächen vorgenommen werden?

Ein grundsätzliches in Frage stellen der empirischen Wirklichkeit oder besser der vermeintlich wirklichen Wirklichkeit – Wittgenstein spricht in diesem Zusammenhang von der „äußeren Welt“ (vgl. Wittgenstein, L., Über Gewissheit, Werkausgabe Band 8, 6. Aufl. Frankfurt/M. 1994, S. 123) würde zwangsläufig zu massiven Unsicherheiten für das Individuum führen, die zwangsläufig in der eingangs gestellten psychiatrischen Frage „was ist normal“ gipfeln. Die bewusste Vermeidung von persönlichen Unsicherheiten und somit ein Vermeiden von grundsätzlichen Hinterfragungen könnte in einem weiteren Schritt bedeuten, dass auch dargebotene oder vermeidlich erlebte virtuelle Welten grundsätzlich als real eingestuft werden, neigt doch der Mensch, wie Schulze aufzeigt, ohnehin zur subjektiven Vereinfachung der Wirklichkeit (vgl. z.B. Schulze, Erlebnisgesellschaft, 1993, S. 225-230)

Virtuelle Welten, gleich welcher Ausprägungstiefe, werden somit „natürlicher“ Bestandteil vermeintlich wirklicher Wirklichkeiten, die Grenzen zwischen virtueller und empirischer Realität werden fließend. Scheinwelten, gleich welcher Art, werden als Normalität empfunden. Was als „normal“ gilt oder vice versa, ist darüber hinaus für den Einzelnen in erheblichen Maße auch von Personen abhängig, die er schätzt oder achtet (z.B. Eltern/Kind). Watzlawick weist darauf hin, dass Beeinflussung durch solche Schlüsselpersonen dazu führen kann, dass eine Person ihren Sinnen misstraut, um nicht deren Kritik oder gar Repressalien ausgesetzt zu sein, was in einem weiteren Schritt zu weiter oben thematisierten Unsicherheiten und Konfusionen führen kann. Um nicht als „verrückt“ zu gelten, werden Dinge als „falsch“ deklariert, die die eigenen Sinne als „richtig“ erkannt haben. Die Weiterführung dieses Gedanken führt zwangsläufig zu einem Verhalten, dass dem klinischen Bild der Schizophrenie entspricht. Wenn nun aber eine Kombination aus Beeinflussung durch vertraute Bezugspersonen und virtuelle Welten stattfindet, um wie viel größer muss die erlebte Unsicherheit für den Einzelnen sein? Wenn darüber hinaus wie im Falle sozio-virtueller Welten die gesamte Gemeinschaft die Beeinflussung der Sinne durch mediale Reizüberflutung akzeptiert, führt dies nicht zwangsläufig zu einem Zustand kollektiver Schizophrenie? Wir nähern uns, wie man erkennen kann, dem WIRRklichkeitsRAUM

Um es nochmals zu fixieren: Bis hier wurden virtuelle Welten mit unterschiedlichsten Ausprägungstiefen diskutiert. Im Mittelpunkt der Überlegungen standen jeweils Technologien, die informationsgebend sind oder der visuellen Unterstützung bzw. der Simulation dienen. Wenn nun aber die technischen Voraussetzungen für eine bildhafte Darstellung bzw. Realisierung unterschiedlichster Phantasie- oder Traumwelten bzw. eine alternative Realität geschaffen sind, ist es nicht verwunderlich, wenn hieraus latente Menschheitswünsche und -hoffnungen erneut aufkeimen. Mit der vermeintlichen Aufhebung physikalischer Gesetze durch Technologien wie VR, wird die Realisierung alter „Ur-Menschheitsträume“, wie bspw. die Fähigkeit, fliegen zu können, Unsterblichkeit, göttliche Schöpfungsgewalt‘ etc. potenziert. Ob nun die eigentlichen Ursprünge für die Schaffung eines „Idealmenschen“ in der Antike, in einem durch Bacon und Descartes begründeten mechanistischen Weltbild oder aber auch durch eine anthropozentrische Weltanschauung, zurückführbar etwa auf den alttestamentarischen Herrschaftsauftrag, die Erde untertan zu machen, zu suchen sind, soll hier allein schon aus Rücksicht auf gebachelte und gebeutelte Studenten letztendlich nicht geklärt werden.

Sicherlich begründet eine mechanistische Sichtweise den Fortschrittsglauben und ein uneingeschränktes Vertrauen in die Möglichkeiten der Technik. Für mathematisch, naturwissenschaftlich bzw. computerorientierte Wissenschaftler mag dieses Gedankengut bis zu einem gewissen Grad unbedeutend sein, kann man doch auch (mechanistisch) ohne Berücksichtigung philosophischer Probleme von bekannten Variablen ausgehen und rein deduktiv neue Technologieformen entwickeln. Aus der Literatur werden im Weiteren zwei Ansätze diskutiert. Zum einen die Idee, dass sich die „Maschine“ selbst reproduziert und zum anderen, dass der Mensch maschinenhafte Eigenschaften annimmt und somit eine biologische „Unvollkommenheit“ kompensiert. Die Idee der sich selbst reproduzierenden Maschine kann zurückgeführt werden auf John von Neumann'“, der seine Automatentheorie als Krönung seiner Forschungsarbeit verstand (Levy, KL, 1993, S.435). Unterstützung fand von Neumann hierbei durch die Turing-Maschine. Turing und Church stellten die Hypothese auf, dass eine Maschine nicht nur die Funktionen mathematischer Maschinen nachahmen kann, sondern auch die Funktion der Natur und darüber hinaus des menschlichen Gehirns. Im Laufe der Geschichte wurde der Ansatz, Maschinen herzustellen, die sich selbst reproduzieren, von verschiedenen Seiten aufgegriffen. Als bedeutsam für den Forschungsansatz „künstliches Leben“ (KL) soll hier das Spiel „Life“ herausgestellt werden, das zur bekanntesten Anwendung der von John von Neumann definierten Zellularautomaten wurde und darüber hinaus als Anregung für die weitere Forschung im Bereich KL dient“. Das Spiel „Life“ war von John Horton Conway als eine große vereinheitlichte Theorie des Universums konzeptioniert. Die nachfolgend aufgeführten Regeln bilden die Basis sowohl für das Spiel als auch für wirkliches Leben‘:

„Leben findet auf einer Art realem Schachbrett statt, dessen Quadrate als Zellen bezeichnet werden. Diese können sich in zwei verschiedenen Zuständen befinden: lebend oder tot. Jede Zelle hat acht potentielle Nachbarn, nämlich diejenigen, die an den Seiten oder an den Ecken angrenzen. Wenn eine Zelle auf dem Schachbrett sich im lebenden Zustand befindet, übersteht sie den nächsten Taktzyklus (also die folgende Generation) nur dann, wenn zwei oder drei ihrer Nachbarn ebenfalls leben. Sie stirbt aufgrund einer Überbevölkerung, wenn es mehr als drei lebende Nachbarn gibt, und sie geht an Vereinsamung zugrunde, wenn sie weniger als zwei lebende Nachbarn hat. Wenn eine Zelle auf diesem Schachbrett abgestorben ist, bleibt sie auch in der nächsten Generation tot, es sei denn, sie hat genau drei lebende Nachbarn. In diesem Fall wird die Zelle in der nächsten Generation „wiedergeboren“.

Nach Spielbeginn formten sich, gemäß obiger Regeln, nach einfachen Anfangskonfigurationen rasch komplexe Gebilde. Den Durchbruch verhalf dem „Spiel“ schließlich das Massachusetts Institute for Technology (MIT) durch Umsetzung in eine Computerumgebung. R. William Gosper (MIT) erkannte, dass es sich bei Conways Herausforderung um mehr als nur ein Spiel handelte, denn „Life“ repräsentierte eine anschauliche, lebendige Welt, in der bestimmte Auswirkungen tatsächlich in Erscheinung traten. Es handelte sich somit um ein alternatives, praktisch unerforschtes Universum der Mathematik.

Enttäuschend für Conway war jedoch die Tatsache, dass es trotz der Vielseitigkeit und der nachweislichen Unvorhersehbarkeit keine Konfiguration gab, die ein selbstreproduzierendes Wesen in einem einigermaßen überschaubaren Raum hervorgebracht hatte. Er war dennoch überzeugt, dass „Life“ jedes bekannte Tier, ebenso wie unendlich viele unbekannte hervorbringen könne. In einem ausreichend großen Maßstab (i.e. „Spielbrett“) müsste man wirklich lebende Anordnungen erkennen können, die sich entwickeln, um Territorien streiten und immer intelligenter werden. Die einzige offene Frage blieb hierbei allerdings die Größe des „Spielfeldes“ . Conway dachte hier in Dimensionen, größer als unser Universum. Andere, optimistischere Meinungen, gingen davon aus, dass ein Spielfeld von der Größe unseres Sonnensystems ausreichend sei. Die entscheidende Frage an dieser Stelle ist sicherlich, ob ein aus diesem Spiel entstehendes Gebilde wirklich leben würde. Definiert man ein Lebewesen als autopoietische Organisation(Anmerkung für den neuzeitlichen Studenten: hat nichts mit poetisch zu tun…), so könnte man sicherlich von einem lebenden Organismus sprechen.

In der KL-Forschung herrscht nicht nur die Überzeugung vor, dass aus Zellularautomaten „Leben“ entstehen könne, sie wurden vereinzelt für so komplex gehalten, dass sie ein Universum hervorbringen könnten. Die Diskussion führte sogar zum Zweifel, ob nicht auch „unser Universum ein Zellularautomat ist, der auf dem Computer eines ausgezeichneten Programmierers läuft. An dieser Stelle nähert man sich zwangsläufig erneut dem WIRRklichkeitsRAUM. Auf den ersten Blick scheint dies eine extreme Frage zu sein, die jedoch in letzter Konsequenz nicht ohne Weiteres negiert werden kann. Ein Blick auf die Entwicklungsgeschichte der Erde verdeutlicht, dass der Übergang von „toter“ zu „lebendiger“ Materie durchaus einem solchen Spiel entsprungen sein könnte. Der „normale“ Anwender jedoch bewegt sich in timelinedeterminierten Oberflächen, die eben skizzierte Dimension wird ihm demzufolge nicht bewusst und die Frage, ob jemand „von oben“ die Oberflächen und somit auch seinen Lebens- und Kommunikationsstrom steuert, wird aus bekannten Gründen nicht gestellt.

Dennoch: Unterstellt, das Biotop facebook sei qua Definition auch ein KL-“Spiel“, dann wären wir jetzt in der zweiten Entwicklungsstufe, denn aus dem Schachbrett ist eine real existierende Scheinwelt geworden (wie wirklich diese Wirklichkeit dann wirklich ist, soll an dieser Stelle nicht weiterverfolgt werden). Bereits vor 15 Jahren wurden in einem Labor der Universität Bamberg Experimente durchgeführt, Computern Gefühle anzutrainieren. Kernpunkt der dort angestellten Überlegungen war, dass ein menschliches Bedürfnis nichts anderes als die Reaktion auf die Meldung eines Regelkreises ist, die besagt „ich bin nicht im Gleichgewicht. Hierauf aufbauend wurden Programme entwickelt, die, getrieben von ihren Bedürfnissen, ihre „Welt“ erkunden und lernen, das eigene „Überleben“ sicherzustellen (siehe hierzu: Mein Computer lebt, Spiegel-Gespräch über die Berechenbarkeit der Seele, in: DER SPIEGEL, Nr. 9/1996 vom 26.2.96)

Um den gebachelten und gebeutelten Studiosus nicht allein im WIRRklichkeitsRAUM stehen zu lassen, wird im Folgenden auf eine Vertiefung der Begrifflichkeit „Seele“ verzichtet, Unterscheidungen wie sie beispielsweise Aristoteles vorgenommen hat, i.e. vegetative Seele (Ernährungs- und Fortpflanzungsfunktion), animalische Seele (Wahrnehmungs- und Bewegungsfunktion) und denkende Seele finden keine Berücksichtigung in der folgenden Betrachtung. Interessant könnte jedoch in diesem Zusammenhang der Gedanke der Moravecschen „Seelenwanderung“ bzw. „Geistübertragung“ sein (rein hypothetisch natürlich erst einmal, damit sich niemand im WIRRklichkeitsRAUM verläuft).

Der transhumanistische WIRRklichkeitsRAUM

“Man hat Sie gerade in den Operationssaal geschoben. Ein Roboter in der Funktion des Gehirnchirurgen wartet auf Sie. Neben Ihnen steht ein Computer bereit, ein menschliches Äquivalent zu werden, wozu ihm nur ein geeignetes Programm fehlt. Ihr Schädel, aber nicht Ihr Gehirn, wird betäubt. Sie sind bei vollem Bewusstsein. Der Roboterchirurg öffnet ihre Schädeldecke und legt die Hand auf die Oberfläche des Gehirns. Diese ungewöhnliche Hand ist dicht bestückt mit einer mikroskopischen Apparatur, und ein Kabel verbindet sie mit dem mobilen Computer an ihrer Seite. Die Instrumente der Roboterhand tasten die ersten Millimeter der Hirnoberfläche ab. Hochauflösende magnetische Resonanzmessungen entwickeln eine dreidimensionale chemische Karte, während Gruppen magnetischer und elektrischer Antennen Signale auffangen, die über die zwischen den Neuronen zuckenden Impulsen Aufschluss geben. In Verbindung mit einem umfassenden Verständnis der menschlichen Neuronenstruktur ermöglichen diese Messergebnisse dem Chirurgen, ein Programm zu schreiben, das das Verhalten der obersten Schicht des Hirngewebes simuliert. Dieses Programm wird in einem kleinen Bereich des wartenden Computers installiert und aktiviert …. Schicht für Schicht wird das Gehirn zunächst simuliert und dann abgetragen. Schließlich ist Ihr Schädel leer, und die Hand des Chirurgen befindet sich tief in Ihrem Hirnstamm. Dennoch haben Sie weder das Bewusstsein noch den Faden Ihrer Gedanken verloren. Ihr Geist ist einfach aus dem Gehirn in eine Maschine übertragen worden. In einem letzten unheimlich anmutenden Schritt nimmt der Chirurg seine Hand aus Ihrem Schädel. Ihr plötzlich sich selbst überlassener Körper verfällt in Krämpfe und stirbt. Einen Augenblick lang empfinden Sie nur Ruhe und Dunkelheit. Dann können Sie die Augen wieder öffnen. Ihre Perspektive hat sich verändert. Die Kabelverbindung zwischen der Computersimulation und der Hand des Chirurgen ist unterbrochen worden. Ihr Geist ist jetzt an den glänzenden neuen Körper angeschlossen, dessen Form, Farbe und Material Sie selbst ausgesucht haben. Ihre Metamorphose ist abgeschlossen.

An dieser Stelle ist es nun wichtig, sich vor Augen zu halten, dass dieses, bewusst ausführlich dargestellte Zitat NICHT der Science-Fiction-Literatur zuzuschreiben ist, sondern einem realen wissenschaftlichen Forschungsbereich der Carnegie Mellone University entspringt (vgl. Moravec, Mind Children, 1990). Mit zunehmendem technologischen Wissen kann durchaus davon ausgegangen werden, dass diese Vision praktikable Realität wird (an der Umsetzung dieses Ziels arbeiten z.B. die Extropianer, eine interdisziplinäre Interessengemeinschaft, die u.a. auf den Gebieten Robotik, Kryonik, künstliche Intelligenz, Nanotechnologie etc. forschen). ABER: Die Gesetzmäßigkeit der Entropie außer Kraft zu setzen ist sicherlich ein faszinierendes Forschungsgebiet, das jedoch die Grenzen weniger in der Technologie, sondern in ethischen Grundwerten hat. Wenn diese aber aufgrund fehlender oder schwindender Wertesysteme in den Hintergrund treten und ein Wertevakuum hinterlassen, wenn zudem qua Technologie das Individuum in einem permanenten Datenstrom schwimmt, der die Grenzen zwischen virtueller Realität und vermeintlich wirklicher Wirklichkeit wirklich nicht mehr erkennen lässt, wenn wir eigentlich nicht wissen, ob wir uns in einer facebook Timeline befinden oder in einem von Außerirdischen erfundenen Computerspiel (oder wie Karl Popper es ausdrücken würde: Durch die Falsifikation unserer Annahmen bekommen wir tatsächlich Kontakt mit der Wirklichkeit), DANN sind wir dem WIRRklichkeitsRAUM schon sehr nah…

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